Handbuch


Verschwörungstheorie

Kritik oder Mangel an Beweisen für eine These als ihren Beweis darstellen.


Eine Verschwörungstheorie ist immer durch zweierlei gekennzeichnet: Es werden erstens Absichten unterstellt, die zweitens heimlich verfolgt werden. Personen, Gruppen oder Organisationen werden Macht und Einfluss zugeschrieben, die diese formell nicht haben. Dass keine oder eher dürftige Hinweise darauf gefunden werden können, wird mit der Vertuschung dieses Einflusses erklärt (→Herkunftstrugschluss). Die Kenntnis über die Verschwörung wird als Wahrheit verkauft, die von den vermeintlich Mächtigen unterdrückt wird.

Meist zeichnen sich Verschwörungstheorien auch noch durch mehr als das aus: So liefern sie eine einfache, nicht überprüfbare Antwort auf stark verallgemeinerte oder komplexe Fragen wie „Warum gibt es Krieg?“ oder „Wer entscheidet über unsere Gesellschaft?“. Weiterhin findet eine Schuldzuschreibung an Gruppen, Personen oder Organisationen statt, denen ohnehin Misstrauen entgegengebracht wird und die daher willkommene Sündenböcke sind (→Missgunst). Außerdem wird die Autorität und Glaubwürdigkeit derer, die die Theorie überprüfen könnten, in Zweifel gezogen, so dass Verschwörungstheorien oft essenziell unfalsifizierbar (→Unfalsifizierbarkeit) werden. Dadurch entsteht ein in sich geschlossenes Glaubenssystem, das jeden Gegenbeweis hinwegfegen kann ( →Gegenargument, →Ausrede) und selbst weder beweis- noch widerlegbar ist.


Wann wendet man das an?

Verschwörungstheorien können unter Umständen der Wahrheit entsprechen – das kann jedoch nur dann aufgedeckt werden, wenn die Verschwörer fehlbar sind und ihr Einfluss begrenzt ist. Der Fall Mollath oder der NSA-Überwachungsskandal sind Beispiele dafür, wie etwas, das die Merkmale einer Verschwörungstheorie aufweist, sich als die Wahrheit herausstellen kann, sobald Beweise dafür erbracht werden können.

Darüber hinaus eignen sich Verschwörungstheorien als Gedankenexperimente. Mit ihnen lässt sich die Absurdität, Unverifizierbarkeit oder Unfalsifizierbarkeit von Argumenten illustrieren und damit schlechte Argumente des Gegenübers spiegeln (→Strohmann, →Spott). Auch kann man mit ihrer Hilfe die Überprüfbarkeit von dargelegten Thesen oder Fakten oder die Glaubwürdigkeit des Gegenübers (→(Un)betroffenheit) in Zweifel ziehen.


  • „Aber was, wenn auch die Regierungsbeamten ihre Berichte fälschen, um zu verschleiern, wie es wirklich aussieht?“
  • „Genauso gut könnte ich behaupten, dass Aliens dahintersteckten!“
  • „Du denkst also, alle Mitarbeiter der Pharmaindustrie werden in Wirklichkeit dafür bezahlt, Studien zu fälschen und geheimzuhalten, dass ihre Medikamente uns vergiften?“
  • „Du als Freimaurer darfst mir die Wahrheit natürlich nicht sagen, weil du längst von der Gehirnwäsche selbst betroffen bist.“

Was tut man dagegen?

Da die meisten Verschwörungstheorien geschlossene Systeme sind, die weder beweis- noch widerlegbar und damit logisch unangreifbar sind, hilft das Suchen nach Unstimmigkeiten nicht viel. Einzig der Hinweis auf die offensichtliche Verfügbarkeit der angepriesenen Wahrheit aufgrund der Existenz ihrer Anhänger kann eine Lücke offenbaren. Da Verschwörungstheorien nicht unmöglich sein können, da sie zur Not auch die Gesetze der Physik als Teil der Verschwörung betrachten, lässt sich nur ihre Unwahrscheinlichkeit kritisieren (siehe Ockhams Rasiermesser, Hanlons Rasiermesser und Newtons flammendes Laserschwert). Eine Umkehr der Beweislast (→Beweislast) wendet die Stärke der Verschwörungstheorie gegen ihren Vertreter und spiegelt ihre Unzulässigkeit als Grundlage rationalen Denkens – alle vorgebrachten Beweise können ebenso leicht in Zweifel gezogen werden wie ihre Gegenbeweise (→Verschwörungstheorie). Aufklärung über die Unwiderlegbarkeit der Theorie und das Dilemma, das sie für ihren Gegner präsentiert, ist notwendig, um aus einem Überzeugungsversuch eine Diskussion unter gleichwertigen Gesprächspartnern zu machen. Da dies aber häufig in eine Pattsituation führt, empfiehlt sich, eine Diskussion über Verschwörungstheorien nur so lange zu führen, wie sie unterhaltsam ist.


  • „Wenn das so geheim ist, woher weißt du das dann?“
  • „Kann ich diese Beweise mal sehen?“
  • „Dass das so sein kann, sehe ich, aber wie kommst du darauf, dass es so wäre?“
  • „Ist es nicht viel wahrscheinlicher, dass die Pyramiden von Menschen erbaut wurden?“
  • „Das lässt sich gar nicht widerlegen - angenommen, ich hätte doch recht, wie könnte ich dir das je beweisen?“
  • „Ich soll also etwas glauben, was sich gar nicht überprüfen lässt?“
  • „Und was, wenn all diese Beweise gefälscht wurden und nun von Verschwörungstheoretikern verbreitet werden?“