Handbuch


Autoritätsargument

Verweis auf echte oder vermeintliche Experten


Jedes Argument erhält mehr Gewicht, wenn es von Experten vorgetragen wird. Gerne wird sich daher auf Autoritäten bezogen, wo immer es möglich ist. Das kann ein Zitat sein, ein Verweis auf eine seriöse Quelle oder auch der Hinweis auf den eigenen Expertenstatus. Damit ist das Autoritätsargument eine Sonderform des →Herkunftstrugschlusses.

Nicht alle Autorität ist gleich, insbesondere nicht gleich an Wert im Diskurs. Hier muss zwischen Experten und Autoritäten unterschieden werden. Eine Autorität kann jeder sein, der in einer Hierarchie einen höheren Status gegenüber anderen einnimmt; ein Experte hingegen erlangt seinen Status auf einem bestimmten Gebiet durch Erfahrung und Auseinandersetzung mit einem Sachverhalt. Dabei sind Überschneidungen häufig: viele Experten sind Autoritäten und andersherum. Wer hat ein Autoritätsargument vor allem dann, wenn die erwähnte Autorität Sachkenntnis zum Gesprächsthema vorweisen kann. Ist der Diskussionsgegenstand ein subjektiver oder soll eine Entscheidung getroffen werden, ist eine Autorität mit Entscheidungsmacht von größerer Bedeutung.

Eine Autorität kann statt einer konkreten Person auch eine Organisation, Gemeinschaft oder ein Medium als Quelle einer Information sein.


Wann wendet man das an?

Experten sind hervorragend geeignet, Aussagen zu stützen oder zu belegen. Eine Meinung oder Behauptung ist, von Fachleuten vorgetragen, überzeugender als unbelegt in den Raum gestellt. Wird die eigene Person (→Ad Hominem) oder Quelle einer Aussage kritisiert, ist es nützlich, sich auf Autoritäts- oder Expertenstatus berufen zu können.

Besonders hilfreich ist es dabei, sein Gegenüber genug zu kennen, um zu beurteilen, welche Qualifikationen durch dieses anerkannt und wertgeschätzt werden. Wertvoll sind auch Zugeständnisse von Anhängern der Gegenthese - diese wiegen besonders schwer, da sie diese Zugeständnisse trotz Voreingenommenheit machen und Aussagen stützen, die gegen ihre eigenen Interessen stehen.

Einen Sonderfall stellt ein vorgebrachter Expertenkonsens dar (→Mitläufereffekt): wenn etwas von der überwiegenden Anzahl derer, die sich lange und/oder tiefgreifend mit einer Sache auseinandergesetzt haben, vertreten wird, braucht es sehr gute Gründe, diesen Konsens anzuzweifeln. Ein solcher Expertenkonsens kann, besonder wenn er im wissenschaftlichen Betrieb besteht und damit als belegt gelten kann, in der Regel als Fakt betrachtet werden.


  • „Studien haben gezeigt, dass Körpersprache viel wichtiger ist als das, was man sagt.“
  • „In der Zeitung stand, dass die Innenstadt nächste Woche wegen Bauarbeiten gesperrt wird.“
  • „Der Polizeisprecher meinte, die Gefahr wäre vorbei.“

Was tut man dagegen?

Wird ein Experte in Geschmacksfragen beschworen, ist dessen Meinung irrelevant. Anderherum ist eine Autorität nicht zwangsläufig besser qualifiziert, wahre Aussagen zu treffen. Zunächst also gilt es zu bestimmen, ob der Status der Autorität eine Rolle spielt für die erörterte Fragestellung. Gehört das Thema zum Zuständigkeitsbereich oder Fachgebiet der Autorität oder des Experten, kann dessen Status anerkannt, die Position aber dennoch kritisiert werden. Anders sieht es bei Autoritäten aus, die keine Experten sind. Die Eigenschaften, die Menschen in Autoritätspositionen verhelfen (z. B. Selbstbewusstsein oder Geld) haben selten etwas mit inhaltlicher Qualifikation zu tun. Zwar kann die Machtposition einer Autorität selten im Gespräch verändert werden, ihre wahrgenommene Sachkenntnis und Eignung hingegen schon.

Doch auch ein Experte kann sich irren. Oft lässt sich ein anderer Experte finden, der die gegenteilige Auffassung vertritt. Besonders im Bereich der Wissenschaft stützen sich Experten auf Forschung und Belege in ihren Aussagen, das ist aber nicht zwangsläufig der Fall. Viele Ergebnisse können auf mehrere Weisen interpretiert werden, es mag methodische Fehler geben, und es kommt vor, dass Hypothesen auf unzureichender Erkenntnisgrundlage aufgestellt werden.

Ist die Autorität gar nicht näher benannt, muss nachgefragt werden. Oft kann die Quelle dann nicht mehr erinnert werden und ist damit wertlos. Hinter anonymer Autorität verstecken sich manchmal auch umstrittene, widerlegte oder unseriöse Experten.

Hat das Gegenüber hingegen die Mehrzahl der Fachleute auf seiner Seite, kann nur das gesamte Fachgebiet an sich in Zweifel gezogen werden (→Verschwörungstheorie).


  • „Mag sein, dass du das schon dreißig Jahre lang machst, aber man kann's auch dreißig Jahre lang falsch machen.“
  • „Fünf-Sterne-Koch oder nicht, ich mag halt keinen Broccoli. Und mir soll's doch schmecken, nicht den Gourmets.“
  • „Und welche Wissenschaftler waren das genau, die das angeblich herausgefunden haben?“