Handbuch


Missgunstargument

An Neid oder Hass auf einen vermeintlichen Gegner appellieren.


Während Missgunst Keile zwischen Menschen treibt und für Zwietracht sorgt, bewirkt sie als Argument eher das Gegenteil: sie schwört die Diskussionsteilnehmer auf einen gemeinsamen Feind ein und bringt sie dadurch enger zusammen. Dieser Feind übernimmt auf diese Weise eine Sündenbockfunktion, wodurch die Meinungsverschiedenheiten der Gesprächspartner überbrückt werden können. Ein solcher Feind kann eine Person, aber auch eine Gruppierung, Institution oder Ideologie sein.

Scheinbar unvereinbare Standpunkte lassen sich miteinander in Einklang bringen, indem sie als verschiedene Sichtweisen auf ein Problem aufgefasst werden, das auf eine gemeinsame Ursache zurückgeführt werden kann. Schuldzuweisungen lenken jedoch auch oft von Lösungen ab und ersetzen produktive Kompromissfindung durch Schimpfen auf einen vorgeschobenen Feind.

Im Gegensatz zum direkten Angriff (→Ad Hominem) ist es für ein Missgunstargument gar nicht nötig, diesen Feind direkt zu kritisieren - die Ablehnung wird bereits unterstellt und vorausgesetzt.


Wann wendet man das an?

Missgunst wirkt versöhnlich, weil Kritik am eigenen Standpunkt so interpretiert wird (→Umdeutung), dass sie auf einen neuen Gegner gelenkt wird (→Themenwechsel). Die Besinnung auf gemeinsame Interessen kann Konflikte entschärfen und Kompromisse ermöglichen - dabei kann die Ablehnung einer Sache selbst als Kompromiss dargestellt werden (→Goldene Mitte). Teilt das Gegenüber Ressentiments und Abneigung gegen diesen Gegner, lässt sich leicht der Eindruck erwecken (→Suggestion), sein Standpunkt würde diesen unterstützen (→Sippenhaft). Missgunst zeigt oft starke emotionale Wirkung, schürt aber auch Vorurteile und schafft Feindbilder, die über die Diskussion hinaus zu größeren Konflikten führen oder beitragen können. Ihr Einsatz sollte daher sorgsam abgewogen werden.


  • „Da profitieren doch auch wieder nur die Schmarotzer davon. Nein, wer wirklich Hilfe braucht, muss sie sich schon verdienen.“
  • „Mülltrennung? Müssen wir den Ökos denn alles rechtmachen?“
  • „Das spielt doch nur den Bankern in die Hände. Haben die denn nicht schon genug?“

Was tut man dagegen?

Je nachdem, wie man zum präsentierten Gegner steht, lässt sich dieser möglicherweise verteidigen, oder in Untergruppen aufteilen, die differenzierter betrachtet werden(→Kein wahrer Schotte). Will man sich jedoch nicht in eine Stellvertreterdebatte ziehen lassen, muss man den dargestellten Zusammenhang des eigenen oder des gegnerischen Standpunkts mit dem Sündenbock wieder lösen und Probleme auf ihre eigentliche Ursache zurückführen.

Unter Umständen ist auch angebracht, die Feindseligkeit auf die erwähnte Person, Gruppe oder Sache zu thematisieren. So darf Hetze unter fadenscheinigen Begründungen kein Raum gegeben werden. Kritik am vorgeschobenen Gegner muss auf konkrete Punkte bezogen und nicht pauschal vorgebracht werden. Besonders gruppenbezogener Hass mag in seiner Einfachheit verführerisch sein, muss aber stets hinterfragt werden.


  • „Nicht jeder Polizist ist ein korrupter Schläger. Ich habe gar nichts gegen 'das System', nur Teile davon. Lass uns über die reden und die Revolution mal außen vor lassen.“
  • „Helikoptereltern hin oder her, manche Kinder brauchen wirklich Förderung, damit sie nicht untergehen.“
  • „Ich lasse mich nicht gegen Andersgläubige ausspielen! Hier geht es um Grundwerte, hinter denen jeder stehen kann.“